Kleine Verkehrs-Gedanken-Radtour
Eigentlich sollte es nur eine kurze Fahrradtour zur Weststadt werden, um mit gutem Gewissen der Zeichenaufgabe für ein paar Minuten zu entfliehen. Eben den ICE bei der Vorbeifahrt ansehen und dann wieder ab nach Hause. Doch spontane Entscheidungen während der Tour führten eher nur zu Umwegen, bei denen ich immer wieder an Orten vorbeikam, die mich sehr zum Nachdenken über Braunschweigs Verkehrskonzepte gebracht haben.
Um etwa virtel vor 8 ging es dann los. Einfach mal aufs Rad und ein wenig die Abendsonne ausnutzen. Von der Innenstadt führte mich der Weg über den Madamenweg. Kurz vor der Kreuzung des Ringes holte mich eine 418 ein, die ich aber an der Kreuzung schon wieder hatte, weil dort Fahrgäste ausstiegen. Da mein Weg erst einmal der gleiche wie der der 418 sein sollte kam mir eine Art Wettrennen in den Sinn - Fahrrad vs. 418.
Im Innenstadtbereich ist man ja bekanntlich mit dem Rad auf sehr vielen Strecken dem ÖPNV weit überlegen - wie sieht es Stadtauswärts aus? Tatsächlich hatte ich meine Schwierigkeiten, dem Bus zu folgen. An den Haltestellen konnte ich immer wieder einiges aufholen. Leider ging die Fahrt des Busses nur bis "an der Horst", aber bis zum Raffteichbad hätte er sowieso sicher gewonnen. Tja, wenn der ÖPNV freie Bahn wie auf dem Madamenweg hat ist er wohl doch schneller als er häufig in der Stadt den Eindruck macht.
Unter der Autobahnbrücke kam ich an eben der Wendemöglichkeit "An der Horst" an. Tatsächlich brauchen die 418 nicht mehr bis zur Reuchlingstraße fahren, da dieser Platz nun entsprechend aufgearbeitet wurde. Mir kam hierzu der Thread zu den Linienendpunkten in diesem Forum in den Sinn.
Ein Blick in den Fahrplan der Haltestelle "An der Horst" unter der Autobahnbrücke (es gibt noch ein 2. An der Horst etwas weiter westlich) verriet mir allerdings, dass scheinbar nicht sonderlich viele Busse diese Wendemöglichkeit nutzen. Was passiert allerdings, wenn man bei einer Fahrt, bei der der Bus planmäßig die westliche Haltestelle anfährt und man zufällig hier steht? Fährt er dann einfach daran vorbei?
Ich muss auch an die erneute Umstellung der Fahrpläne und die Folgen für die Bewohner des Madamenweges westlich des Ringes denken: Leider scheint wohl für eben diese der attraktive 15-Min-Takt wieder wegfallen. Ob dieser wohl in letzter Zeit zu mehr Fahrgästen geführt hat?
Weiter ging es richtung Raffteichbad. Ursprünglich sollte es hier durch den Park richtung Weststadt gehen (dann hätte ich meine ICE noch bekommen...;-)), doch was ist eigentlich aus der Geschichte mit dem Durchstoß nach Lamme geworden? Nichts - noch immer stehen diese Betonblöcke auf der Straße. Damals, als das Metrolinienkonzept eingeführt wurde hieß es, dass in einer 2. Phase die Verbindung nach Lamme hergestellt werden sollte. Die Vorteile wären groß: Schnellerer Busverkehr nach Lamme, kein Rufbus-Hickhack mehr im Winter zwischen Raffteichbad und Reuchlingstraße, generell bessere Ausnutzung der Linie. Scheinbar scheint da maximal auf dem Papier etwas passiert zu sein...hier kann jedenfalls kein Bus lang. Ob ein einfaches Wegräumen der Betonblöcke allerdings nicht mehr Probleme (durch dann auch durchfahrende PKW) macht als löst steht da in den Sternen. Ob ein einfaches Schild, welches den Verkehrsweg nur auf ÖPNV und Rad beschränkt, reicht, steht wohl in den Sternen. Mehr wüsste man sicherlich, wenn man es mal ausprobieren würde.
Weiter ging es nun richtung Lamme. Ich hatte schon seit längerer Zeit vor, in den Ort zu fahren, der auf der Karte sehr klein aussieht, aber gerne mal im Zusammenhang mit möglichen Straßenbahnerweiterungen genannt wird.
Tatsächlich scheint der Ort extrem gewachsen zu sein. Der ältere Teil ist im Vergleich zum Neubaugebiet sogar kleiner. Das Neubaugebiet westlich der Verbindungsstraße zwischen Lamme und der B1 hat durchaus eine beachtliche größe und ist durch 2 Bushaltestellen im nördlichen Bereich recht gut an den ÖPNV angebunden. Östlich dieser Straße ist ebenfalls ein Baugebiet entstanden. Dieses scheint allerdings nicht wirklich an das ÖPNV-System angeschlossen zu sein. Hier kommt mir wieder der Gedanke mit der 418: Vom Raffteichbad aus kommend würde sie an dem östlichen Baugebiet vorbei fahren, dann über den älteren Teil Lammes hinein in das westliche Neubaugebiet. Ob allerdings tatsächlich eine Straßenbahnanbindung notwendig ist? Ich muss an das gerne in diesem Forum verwendete Argument mit den dicken Autos in jeder Garage denken. Tatsächlich ist dies in Lamme durchaus der Fall. Aber könnte nicht auch genau hier die Herausforderung liegen, Neukunden zu gewinnen, indem man diese mit attraktiven ÖPNV-Angeboten lockt?
Mein Weg führte mich wieder gen Süden zum Raffturm. Ein großes gelbes Schild verriet mir, dass ich nur noch 5km von Vechelde entfernt sei...Warum nicht mit dem RE zurück? Ein blick auf die Uhr sagte mir, dass es virtel nach acht war und das alles wohl knapp werden könnte.
Mir kam dann das eigentliche Ziel Weststadt wieder in den Sinn. Eigentlich müsste es doch gehen, über Timmerlah dorthin zu gelangen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich nach Südwesten musste. Leider gab es keinerlei Ausschilderungen für Radfahrer, und selbst auf den Straßenschildern stand nichts von Timmerlah.
Nach einer kurzen Fahrt an der B1 entlang entdeckte ich allerdings eine abbiegende Straße in richtung Timmerlah, sodass ich wusste, dass ich richtig war.
Endlich war ich dann auch mal in Timmerlah. Direkt an der Ortseinfahrt entdeckte ich eine groß angelegte Wendemöglichkeit für Busse. Ein Blick auf den Fahrplan der Haltestelle Georg-Althaus-Straße verriet mir, dass hier die Busse lediglich im 1-Stunden-Takt fahren. Ob der Steuerzahler nur dafür diese Anlage akzeptiert? Zumindenst hat die Anlage noch viel Potential für spätere Fahrplanerweiterungen.
Die Weststadt im Visier ging es nun weiter über den holperigen Fahrradweg zwischen Timmerlah und Weststadt. Ein echtes Erfolgsmodell - selbst um nach halb 9 abends noch so viel los. Doch es ist so einfach wie praktisch: Das Leben auf dem Land, aber die Infrastruktur der Weststadt, ja sogar die Stadtbahn, mit dem Rad in wenigen Minuten in greifbarer Nähe.
Am Ende des Weges nahm ich mir ein bisschen Zeit für eine Pause und genoß den Blick richtung Bahnstrecke. Ich hoffte noch eben den RE bei der Durchfahrt zu sehen, doch ein Blick auf die Uhr sagte mir dass es wohl zu spät war. Stattdessen kam nach kurzer Zeit ein - recht kurzer - Güterzug. Tja, die Wirtschaftskrise ist auch hier angekommen. Doch die nächsten beiden Züge - wieder Güterzüge - ließen nicht gerade dieses Bild zu, waren sie doch recht lang.
Mir kam der Gedanke mit dem Bahnlärm in den Sinn. Aktuell hört und liest man doch recht viel über Schienenlärm. Tatsächlich waren die Güterzüge, die doch noch recht weit entfernt waren, noch sehr deutlich zu höhren. Ob die Schallmauern und "Flüsterbremsen" tatsächlich so erfolgreich arbeiten? In Anbetracht der Tatsache, dass die Sonne schon weg war, wollte ich aber doch schnell wieder richtung Heimat.
Es ging entlang der Gleise der M3 durch die Weststadt. Mich fasziniert, wie sinnvoll hier die Bahnstrecke errichtet ist: Unabhängig vom Straßenverkehr fahren die Bahnen in der Mitte der Straße. Keine Staus, nur halten zum Ein- und Aussteigen. Was würde die Straßenbahn an Attraktivität gewinnen, wenn sie in ganz Braunschweig so gut ausgebaut wäre.
Weiter ging es unter der Autobahn wieder richtung Innenstadt. Wenn man sich klar macht, welche zeitlichen Vorteile diese Autobahn für die Pendler bringen kann, habe ich wieder Verständnis, dass viele sich gegen ÖPNV und für das Auto entscheiden: Wer z.B. in der Weststadt wohnt und bei VW arbeitet, braucht - kein Stau vorrausgesetzt - nur eben ein paar Minuten auf die Autobahn und ist da. Per ÖPNV ginge es über die Innenstadt oder zumindenst über den Ring. Hier müsste man doch eine alternative, wohl etwas Schienengebundenes - bauen können. Später kreuze ich die ehemaligen Ringgleise und mir kommt eine Art Ring-S-Bahn in den Sinn, doch ist andersrum das Ringgleis wieder zu weit von der dichten städtischen Bebauung entfernt.
Mein letzter ÖPNV-Gedanke kommt mir schließlich bei der HBK. Die 466 wurde ja auch mit dem Argument, dass sie für die HBK-Studenten gedacht sei, eingesetzt. Die geplante 443 könnte hier tatsächlich für viele die Fahrt zur HBK attraktiv machen. In Kombination mit dem Ringbus dann eine durchaus gut an den ÖPNV angebundene Einrichtung.
Hiermit möchte ich nach langer Schreibarbeit meine Rundfahrt durch Braunschweig beenden. Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei, sonst hätte ich das eine oder andere noch fotografisch unterlegen können. Vielleicht kann ich ja den einen oder anderen dazu ermutigen, auch mal mit dem Rad eine solche Tour zu machen. Es gibt viel zu entdecken und zu verstehen. Gleichzeitig kann man sich einige praktische Anregungen holen, wenn man den ÖPNV und den Fahrradverkehr durch konstruktive Diskussion verbessern möchte.
MoVeBS - für bessere Mobilität und Verkehr in Braunschweig.